Wenn du Lust hast, probiere es auch aus und wenn es geholfen hat[5], berichte mir gerne von deinen Gedanken.
Viel Spaß dabei!
Die auch nicht ganz optimierte Sarah
⏱Lesedauer: etwa 3 Min
Es begegnet mir überall: „So kommst du mit 20 Minuten Yoga täglich zu innerer Ruhe“, „Mit diesen Detox-Smoothies boostest du deine Gesundheit“, „Diese 3 Argumente überzeugen deinen Chef am meisten“[1]. Es heißt: Selbstoptimierung, Selbstoptimierung und noch mehr Selbstoptimierung! Die Sache mit dem perfekten Sport-Body, der ausgewogensten Ernährung und dem Superlative-Job kennen wir alle. Der Druck steigt und vom unerreichbaren Schönheits- und Fitnessideal sind längst nicht mehr nur Frauen betroffen[2].
Und ich finde: es nervt. Ich möchte nicht täglich an meinen BMI oder an meine Altersvorsorge erinnert werden und wieso muss ich grüne Matsche trinken, die mir nicht schmeckt und nach der ich mich auch nicht besser fühle? So wie sich viele Handbücher und Artikel lesen, muss ich das aber, um ein erfülltes, glückliches und ausgewogenes Leben zu führen.
🎧 Noch mehr Inspiration findest du in dieser Podcastfolge.
AutorInnen und RatgeberInnen schreiben gerne so, als wüssten sie genau, was ich brauche. Wenn sie bei mir einen Nerv treffen (zum Beispiel mit Werbesprüchen, wie: „Willst du wirklich schon wieder den ganzen Abend auf dem Sofa sitzen? So macht dir Sport endlich Spaß!“) haben sie zielgruppengenaues Marketing betrieben und das ist eine wahre Kunst.
Was dabei gerne in den Hintergrund gerät: die Verfassenden kennen mich gar nicht! Wir sind uns noch nie begegnet! Naja, und sie würden es auch nicht merken, wenn ich wieder den ganzen Abend auf dem Sofa sitze und die ganze Chipstüte leere – einfach so.
Nichtsdestotrotz geben sie mir diese Tipps, weil sie mir helfen wollen. Sie haben wahrscheinlich sogar selbst sehr viele Wochenenden auf dem Sofa zwischen selbst geleerten Chipstüten verbracht, bis sie für sich herausgefunden haben, wie sie das ändern können. Aber wer sagt denn, dass das, was die da rausgefunden haben, bei mir genauso funktioniert? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Fremdes genau die gleiche Sorte Couchpotato ist, wie ich und ich mich mit seinen oder ihren Tipps jetzt garantiert besser fühle?[3]
Eine Frage, die ich mir vor jedem hochgepriesenen Tipp stellen kann, ist diese: Was habe ich wirklich davon? Wenn es mich also mehr entspannt, 20 Minuten auf dem Sofa zu sitzen, weil ich dabei richtig gut abschalten kann, was spricht dann dagegen? Warum muss ich dann stattdessen zum Beispiel 20 Minuten Yoga machen, vor allem wenn ich dabei eher Stress produziere als ihn abbaue? Wenn es hingegen so ist, dass ich beim auf dem Sofa sitzen in einen Gedankenstrudel aus Stress komme („die Wand könnte man auch mal wieder neu streichen“, „die Fenster sind ja saudreckig“, „an der Deckenlampe muss ich unbedingt die kaputten Glühbirnen austauschen“) und ich mich beim Yoga hingegen nur auf mich selbst konzentriere und es schaffe solche Gedanken an mir vorbei ziehen zu lassen, dann ist Yoga die bessere Lösung für mich.
Aber: ich entscheide. Im Zweifelsfall einfach ausprobieren.
Jetzt will ich aber trotzdem irgendwas auf einer Liste abhaken! Ich will das Gefühl haben von „ich habe was verändert“ und „das ist jetzt besser“! Eine Möglichkeit ist all die Dinge aufzulisten, die ich bewusst NICHT verändere. Das sind all die Eigenschaften und Gewohnheiten von mir, die ich richtig gut finde und die so bleiben sollen.
Das fördert (ganz nebenbei) mein Selbstbewusstsein und damit lassen sich auch leichter vermeintlich lebensverändernde Ratschläge abblocken – klingt optimal, oder? Und jene Dinge, die optimiert werden sollten, halte ich auf einer Not-to-do-Liste fest – inspiriert von Marc Uwe Kling[4]. Ich setze dann ein Häkchen nach dem anderen, empfinde eine innere Befriedigung und übrig bleibe:
ICH. So wie ich bin und wunderbar.
Fußnoten
[1] Werbeslogan frei erfunden. Ich möchte keinen Yoga-Anbieter, Smoothie-Hersteller oder Karriereberater degradieren.
[2] vgl. Deutschlandfunk 2014
[3] Allein in Deutschland sind 200 Kartoffelsorten registriert – wir sind doch wohl vielseitiger als Erdäpfel (vgl. Nikolai Buroh „Deutsche Küche“, 2019, S. 336).
[4] Mehr Inspiration findest du unter: https://die-kaenguru-chroniken.fandom.com/wiki/Not-to-do-Liste
[5] Wenn es nicht geholfen hat, unterscheiden du und ich uns also und das ist auch okay.