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Hast Du schon einmal vom Begriff "Unconscious Bias" gehört? Das sind Denkmuster, die uns alle beeinflussen. Wir ertappen uns dabei, Menschen wegen äußerlicher Merkmale in Schubladen zu stecken. Aber das führt in den wenigsten Fällen zu fairen Bewertungen, im Gegenteil. Besonders im Recruiting kann das zu enttäuschenden Fehlentscheidungen führen. Dazu hat Sandra Zemke von Anonify auch eine ganze Menge zu sagen. Sie setzt sich als Gründerin von Anonify dafür ein, Bewerbungsprozesse diskriminierungsfrei zu gestalten. Bastian hat in unserem Podcast mit ihr gesprochen:
Warum unser Gehirn in Schubladen denkt
Unsere Gehirne machen pausenlos Checklisten mit Menschen – Geschlecht - check, Alter - check, Haarfarbe – check, Hautfarbe - check. Der oft routinierte und meist sogar automatisierte Bewerbungsprozess läuft genauso ab - und oft bekommst Du genau deshalb schon nach Bewerbungseingang eine Absage. Das Gehirn - oder ein von Mensch programmierter Algorithmus, trifft eine Entscheidung, ob jemand für den Job geeignet ist oder nicht. Und dabei werden automatisch Schubladen geöffnet und wieder geschlossen. Lange Haare, blond und hübsch? Naja - die kann ja nichts außer gut aussehen. Absage. Bart und hohe Stimme? Na, der kommt doch gerade aus der Grundschule. Absage.
Blöd nur, dass die entscheidenden Personen in diesem Moment oft so gut wie gar nichts über die bewerbende Person wissen. Sie quetschen Dich und viele andere Bewerbende in eine Schublade, meist basierend auf der Idee, dass nur Leute, die ihnen ähnlich sind, wohl auch gut sein müssen. Alle anderen sind von vorneherein nicht gut genug. Das Ganze nennt sich der "Mini-Me-Effekt".
💡Aha: Der Mini-Me-Effekt beschreibt die Neigung, Personen positiver zu bewerten oder ihnen eher zu vertrauen, wenn sie uns in bestimmten Merkmalen ähneln oder vertraut erscheinen.💡
Im Bewerbungsprozess können Vorurteile dazu führen, dass Bewerbende wegen Äußerlichkeiten abgestempelt werden. Du hast knallbunte Haare, ein Gesichtstattoo oder sitzt im Rollstuhl? Könnte sein, dass Du deshalb bereits auf dem inneren Ablagestapel der entscheidenden Personen landest. Diese Entscheidungen werden meistens so nebenbei gefällt und dann als "Unconscious Bias" abgetan. Diese Vorurteile schleichen sich in die Arbeitswelt ein und benachteiligen bestimmte Gruppen. Eine Studie von Glassdoor zeigt, dass ältere Bewerber:innen oft unterschätzt werden, Frauen weniger Respekt für ihre Leistungen erhalten, Hautfarbe und Geschlecht Nachteile in der Job-Suche bedeuten können und behinderte Menschen es schwerer haben, eine Anstellung zu finden.
Eine bunt gemischte Belegschaft befeuert die Innovation und macht das Unternehmen für Kandidat:innen attraktiver. Das müssen viele Unternehmen erst einmal verstehen. Aber auch Du als Privatperson und bewerbende Person kannst dafür sorgen, dass mit Diskrimierung in Job und Karriere aufmerksamer umgegangen wird. Sei ein Vorbild für andere und halte dich an Folgendes:
Verwende vorurteilsfreie Sprache: Setze auf eine geschlechtergerechte Sprache und betone eine offene Unternehmenskultur. Dafür musst Du nicht die Geschäfte führen oder eine Führungskraft sein - Diskriminierung fängt im Kleinen an. Veränderung auch!
Lege objektive Bewertungskriterien fest: Treffe Entscheidungen über andere Menschen anhand vorab festgelegter Kriterien und vermeide, Dich vom Aussehen der Person leiten zu lassen.
Hinterfrage deine eigenen Bewertungen: Prüfe immer kritisch, ob persönliche Vorurteile deine Entscheidungen beeinflussen.
Und das Wichtigste: wenn du Diskriminierung miterlebst, werde laut! Mach' Beteiligte und Führungskräfte auf diskriminierendes Verhalten aufmerksam (denn wie Du gelesen hast, ist Vieles davon automatisiert in unseren Köpfen). Erfährst Du selbst diskriminierendes Verhalten im Bewerbungsprozess oder im Job? Wende Dich an die Ansprechperson im Unternehmen, um das Problem zu klären. Falls das Unternehmen uneinsichtig ist: nutze Deine Macht und nutze Deine Stimme. Im Internet gibt es viele Möglichkeiten, auf diskriminierendes Verhalten von Unternehmen aufmerksam zu machen, allen voran Bewertungsplattformen wie Kununu oder Xing. Je mehr Menschen in dieser Form laut werden, desto mehr Unternehmen merken, dass etwas bei Ihnen falsch läuft.
Unsere heimlichen Vorurteile beeinflussen unser Recruitingverhalten. Sie können dazu führen, dass wir ungerechte Auswahlentscheidungen treffen. Aber mit bewusstem Denken und Übung können wir sie in den Griff bekommen. Es wird Zeit, eine vielfältigere, inklusive Arbeitswelt zu gestalten. Und auch das fängt im Kleinen an.
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